"Irren"-Pflege im 19. Jahrhundert

Die Geschichte des Wartpersonals im 19. Jh. ist eine Geschichte der "kleinen Leute", der Angehörigen der so genannten dienenden Schichten. Es handelte sich nicht um einen bürgerlichen Beruf, schon gar nicht um einen Frauenberuf. Eine einschlägige Berufsausbildung zum/r IrrenwärterIn gab es kaum. Direktor Tschallener war überzeugt, dass das Irrenhaus die beste Schule wäre. Zu seiner Zeit waren bei einem Krankenstand von 75 bis 80 Personen, 7 bis 8 Wärterinnen unter einer Oberwärterin, und 10 bis 11 Unterwärter einem Oberwärter untergeordnet, beschäftigt. Am Ende der Amtszeit seines Nachfolgers Stolz war der Personalstand im Wartbereich auf ca. 40 Personen angewachsen. Es handelte sich um bezahlte LohnwärterInnen, die innerhalb oder nahe der Anstalt wohnten. 1881 wurde der weibliche Anteil der Pflegenden mit 22 Barmherzigen Schwestern ersetzt, daneben arbeiteten auf den Männerabteilungen ebenso viele männliche Pfleger. Das männliche Wartpersonal rekrutierte sich in der Frühzeit vorwiegend aus Militärveteranen. WärterInnen ledigen Stands wurden klar bevorzugt. Die Fluktuation des Personals war im gesamten Zeitraum hoch. M.H.


Zitat:

1849 äußerte sich Johann Tschallener in der Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie wie folgt zur Entlohnung des Wartpersonals:
"Käme es auf mich an, so machte ich zwischen Wärtern und Wärterinnen, gegen die Meinung Einiger, keinen Unterschied; die Wärterin hat das Nämliche zu leisten, wie der Wärter, zwischen Wärter und Wärter, zwischen Wärterin und Wärterin soll aber ein Unterschied sein; das bravere Individuum, dem man ohnedies die gefährlicheren Kranken übergiebt, soll auch besser gehalten sein."[1]


Pfleger in der Anstalt Pergine, ca. 1960. Quelle: Rodolfo Taiani (a cura di), Alla ricerca delle menti perdute. Viaggi nell'istituzione manicomiale (Pubblicazioni del Museo storico in Trento), Trento 2003 (Katalog), S. 98.

Die psychiatrische Anstalt als Arbeitgeberin
Das "Normale betreffend Dienst- und Lohnverhältnisse des weltlichen Pflegepersonales an den Tiroler Landes-Irrenanstalten" von 1911.



  1. J. Tschallener, Ueber Wartung und Pflege der Irren, nach Herrn Dr. K. E. Kirmsse, in Bd. III Heft 3 dieser Zeitschrift, in: AZP 6 (1849), Heft 2, S. 262–284, Zitat auf S. 277.